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Rosemarie Bronikowski

Das Ende der Ewigkeit

Eine Erzählung aus dem zweiten Weltkrieg

Mit einem Vorwort von Ingeborg Hecht

Paperback
248 Seiten
ISBN 3-928409-95-6
2.Aufl.

12,95  inkl. MwSt.

Der Buchversand innerhalb Deutschlands ist kostenfrei.

Vergnügungen, Flirts, Spaß am Leben – was davon blieb der Jugend in einem der schrecklichsten Kriege des zuende gehenden Jahrhunderts?

Rosali, die Hauptfigur des Buches, wünscht sich den Untergang des „Dritten Reiches“ herbei. Sie liebt Musik und Literatur, schreibt auch selbst Gedichte, und da sind ihr die von Deutschen begangenen Unmenschlichkeiten, von denen sie erfährt, ein schwerer Einbruch in ihre Gefühlswelt. Wie kommt die junge Frau damit zurecht, und in wie weit repräsentiert sie die vielen, die glaubten nichts gegen dieses Regime tun zu können und sich durch ihr Stillschweigen schuldig machten?

Rosemarie Bronikowski erzählt auf Grund eigener Erfahrungen von einem bisher wenig angesprochenen Teil der Deutschen. Sie sind weder den Tätern, noch den Opfern zuzurechnen, haben aber durch ihren Rückzug ins Private die furchtbaren Vergehen der Naziherrschaft möglich gemacht.

Vorwort

von Ingeborg Hecht

„Während in England am Nachmittag des 17. Januar 1943 ein Kampfflugzeug der Royal Air Force zum Nachteinsatz auf Berlin startet, verläßt im Berliner Stadtteil Wilmersdorf die zwanzigjährige Rosali Bahlke ihr Wohnhaus, um ins Kino zu gehen.“ So beginnt „Das Ende der Ewigkeit“. Es wäre gut möglich gewesen, daß auch ich damals meine Geschichte – nur auf Hamburg bezogen – so hätte beginnen können. Denn Rosemarie Bronikowski und ich sind – bis auf ein Jahr – gleich alt. Wir haben als Kinder das Jahr 1933 erlebt, dann den Beginn des Krieges 1939 bis zu seinem Ende. Wir haben die gleichen Dinge gelernt, vergleichbare Bücher gelesen, die gleichen Theaterstücke gesehen und vor allem die gleichen Filme, die gleichen Schlager gehört, gesungen, nach ihnen getanzt. Wir haben als Heranwachsende die gleichen Sehnsüchte gehabt und – die gleiche Angst vor den Bomben. Aber ich habe auch Angst vor den „Nürnberger Gesetzen“ haben müssen: zwischen uns stand eine von den Nazis künstlich errichtete Mauer und wir lebten in zwei verschiedenen Welten. Damals haben wir nichts voneinander gewußt.

„Das Ende der Ewigkeit“ ist der letzte Teil einer Trilogie. Im ersten Buch „Das Mädchen Rosali“ erzählt die Autorin, wie ihre kleine Protagonistin zum begeisterten BDM-Mädchen wird, obwohl die Familie sich dagegen sträubt. Sie spürt, daß zuhause etwas Schlimmes geschehen ist, das nicht zu ihrem „Bild vom Führer“ passt. Aber sie möchte nun einmal dazugehören, eine Uniform tragen, Lieder am Lagerfeuer singen…
Im zweiten Buch „Bomben und Zuckerstückchen“ ist Rosali eine junge Frau, die achtzehnjährig einen Fliegerleutnant geheiratet hat. Sie läßt sich anstecken von seiner Begeisterung. 1942 stürzt er über Sizilien ab.
Im vorliegenden dritten Buch erlebt sie als viel zu junge Witwe die Jahre von 1943 bis 1945. Sie holt die Reifeprüfung nach, wird dann zunächst Schwesternhelferin und erlebt die furchtbaren Folgen des Krieges bei schwerverwundeten Soldaten im Lazarett und bei der Versorgung von Bombenopfern. Da sie zu dieser Zeit ein Studium beginnt, kann sie sich in Literatur und Kunst flüchten.
Im Lazarett begegnet sie einem verheirateten Ingenieur, der ihr von früher bekannt ist. Überhaupt kennen Rosalis Leser manche der vorkommenden Personen aus den ersten Büchern, vor allem auch ihre Familie.
Jetzt beginnt eine Liebesgeschichte, entstanden aus der Sehnsucht nach ein wenig Glück inmitten des Kriegselends und der vielfachen Ängste. Aber diese Liebe wird zum Drama. Rosali hat stets versucht, was an Schrecken des „Dritten Reiches“ an sie herangetragen wurde, von sich fern zu halten. Jetzt aber haben die Schatten der Zeit Rosali eingeholt. Sie trennt sich von ihrer großen Liebe.

Rosemarie Bronikowski hat viele eigene Erfahrungen und solche von Freunden eingebracht, sie weiß, wovon sie erzählt. Schon als wir uns vor einem Jahrzehnt kennennlernten, spürte ich, wie sehr sie sich mit denjenigen Deutschen beschäftigte, die zwar keine aktiven Täter waren, die aber um der privaten Ruhe willen geschwiegen, weggesehen haben – zu denen sie sich auch zählt.
Man weiß: das ist ein weites Feld. Aber Verfolgte, zu denen ich gehöre, sind dankbar, daß es Menschen gibt wie diese Autorin, die nicht aufhören sich darüber Gedanken zu machen, und denen es überdies gelingt, diese Gedanken in Geschichten wiederzugeben, – so wiederzugeben, daß sowohl jene, die die Zeit erlebt haben, als auch die Jüngeren, die hoffentlich niemals so etwas erleben müssen, gefesselt und nachdenklich bei Rosali verweilen.

Die in Freiburg lebende Schriftstellerin Ingeborg Hecht ist neben zahlreichen geschichtlichen Publikationen besonders bekannt geworden durch ihre Bücher „Als unsichtbare Mauern wuchsen“ (bei Dölling und Galitz), und „Von der Heilsamkeit des Erinnerns“ (bei Hoffmann und Campe). Sie schildert darin die Auswirkungen der Nürnberger Rassegesetze auf das Leben ihrer Familie.

Zum Buch

Der Grund, mit einem Abstand von fast fünfzig Jahren über die NS-Zeit zu schreiben:
Ich habe nicht über die NS-Zeit geschrieben, sondern Bücher auf dem Hintergrund der NS-Zeit. Es ist klar, daß der Handlungsverlauf zwischen 1930 bis 1945 in einer anderen Zeit ein anderer wäre. Die Grundthemen Liebe, Eifersucht, Entsagung, Tod aber sind die gleichen. Was ich erzählerisch zu gestalten versuchte, ist eine Jugend unter den Bedingungen der Diktatur. Ich wollte wissen, wie weit die in der Hitlerjugend ideologisierte Generation noch fähig war, kritisch zu denken und das eigene Tun zu hinterfragen. Die Mitglieder der „Weissen Rose“ sind in der Hitlerjugend gewesen, und doch setzten sie ihr Leben im Widerstand ein. Meine Generation kann sich also nicht herausreden.

Die Geschichte des „Mädchens Rosali“, die ich in meinen Büchern beschrieben habe, nahm bei einem vergleichbarem Elternhaus wie dem der Geschwister Scholl einen anderen Verlauf. Auch die Familie der Rosali war gegen Hitler eingestellt, doch das Kind zog es umso mehr zu den BDM-Mädeln, die in Uniform hinter einer Fahne marschierten. War es nicht hinreichend aufgeklärt worden oder war es der Reiz des Verbotenen? Schreibend versuchte ich dem nachzugehen.

Der Auslöser zum Schreiben aber war für mich der Ausspruch meines Sohnes, das Verhalten meiner Generation in der Nazizeit sei ihm so fremd wie das der Neandertaler. Als große Masse hätten wir eingreifen müssen, bevor es zu den Schreckenstaten in den KZs kam. Er verstehe nicht, daß fast alle zuschauten und nichts dagegen unternahmen. Ich bekenne mich ja zu dieser Schuld, sagte ich. Ihr immer mit euern Schuldbekenntnissen… Mein Sohn wollte mehr, er wollte wissen, was damals in uns vorsichging.

Was konnte ich ihm antworten? Beim Zurückdenken war da nur ein undurchdringliches Gewirr von Furcht, Konflikten, Schuldgefühlen. Das „Dritte Reich“ als Alptraum – aber hatte ich mich nicht recht wohl dabei gefühlt?

Um mir auf die Spur zu kommen, stellte ich meine Protagonistin Rosali in die Zeit der Nazidiktatur, als erlebe sie sie augenblicklich. Nicht fern wie die Neandertaler, sondern begierig auf Lebensfreude und Liebe, zärtlich und der Poesie zugewandt, und zugleich verführbar, inaktiv, nur mit sich selbst beschäftigt, so ängstlich und so träge wie viele junge Menschen heute auch. Und heute wie damals kann unversehens der Faschismus „wie aus heiterem Himmel“ wieder auferstehen. Wären sie dann besser dagegen gewappnet als wir es waren?

Ich habe oft gehört, meine Altersgenossen hätten als Eltern auf Fragen ihrer Kinder nur unzureichende Antworten oder gar keine gegeben. So wird derselbe Fehler weitergereicht, der im „Dritten Reich“ verheerende Folgen hatte. Nur Aufklärung kann vor blinder Gefolgschaft eines wie auch immer gearteten „Führers“ schützen.

Von mir kann ich sagen, daß ich auf Fragen meiner Kinder und Enkel zwar bereitwillig antwortete, meine Erinnerungen jedoch in einer unreflektierten Weise wiedergab, so daß sie glaubten, das Leben in der Hitlerzeit sei aufregender und interessanter gewesen als heute. Wenn ich von der Hitlerjugend erzählte, bekamen sie leuchtende Augen. Wie konnte ich ihnen die infame Ideologisierung unseres Fühlen und Denkens erklären?

Erst beim Schreiben fand ich Worte für all das Ungereimte, das ich seit meiner Jugend mit mir herumschleppe. Ich spürte wieder den Druck, unter dem ich während der zwölf Hitlerjahre permanent stand. Das Bemühen um Anpassung. Die Furcht, als Verräter zu gelten. Die Angst im Sport zu versagen oder gesundheitliche Mängel aufzuweisen. Und die inneren Konflikte, wenn ich gegen mein Gewissen handelte. Härte war verlangt, gegen uns und andere. Juden seien minderwertig, wurde in unsere Köpfe gepflanzt. Natürliche Impulse wie Mitgefühl mußten unterdrückt werden. Wir waren eine verbogene Jugend. Ich erinnere mich schamvoll an das angenehme Gefühl, auf der anerkannten Seite zu stehen und der „richtigen“ Rasse anzugehören. Eine Überheblichkeit, die ich höchst ungern aus den Tiefen meinem Gedächtnisses zurückhole. Aus solcher Erziehung gingen die im Krieg kaum Zwanzigjährigen hervor, Hitlers brauchbare Wehrmacht und klaglose Soldatenfrauen.

In meinem Umkreis aber gab es immer Menschen, die mich auf Naziverbrechen hinwiesen. Ihnen verdanke ich die allmähliche Befreiung von der eingeimpften Führertreue. Das ganze Volk war ja nicht bei Hitlers Machtantritt wie mit einem Hebel umgelegt worden und sämtliche kritischen Geister plötzlich verschwunden. Meine „Rosali“ lasse ich von Familie, Lehrern, Freunden in dem langwierigen Prozeß der Loslösung unterstützen, Und welche Rolle spielte die Relogion, welche die Literatur für ihre Entwicklung?

Als Beobachterin der „Rosali“ wollte ich vor allem erkennen, wann sie aus gewonnener Einsicht endlich Schlüsse zog und wann sie bereit war, die Augen vor dem verbrecherischen Tun ihrer deutschen „Volksgenossen“ zu öffnen. Sie hatte es lange aus Furcht vor einer sie belastenden Erkenntnis hinausgeschoben. Oft werde ich gefragt, ob die meisten, wie behauptet, nichts von den KZ-Greueln gewußt hatten. Das mag stimmen, die Geheimhaltung ließ allenfalls Gerüchte kursieren. Doch wer die ganze Wahrheit suchte, fand Wege, sie zu erfahren.

Meine Generation wird nicht mehr lange in der Lage sein, von der NS-Zeit authentisch zu berichten. Es gibt über die Opfer des Holocaust eine wichtige Literatur. Auch über die Täter ist geschrieben worden. Wenig jedoch über jene, die, ob aus Überzeugung oder aus pragmatischen Gründen, zu Mitläufern wurden. Meiner Ansicht nach ist es notwendig zu zeigen, wie korrumpierbar der Mensch in der Diktatur ist. Keiner verließ mit sauberen Händen Hitlers Unrechtsstaat. Schon der Selbstbetrug, sich herauszuhalten, ließ an denen schuldig werden, die sich als Verfolgte nicht heraushalten konnten. Meiner „Rosali“ habe ich genügend Sensibilität zugebilligt, um letztlich ihr Gewissen sprechen zu lassen.

Lesungen

Wenn ich Motive meiner Jugend erzählerisch gestaltet habe, so möchte ich der Kollektivschuld, zu der ich mich bekenne, das Plakative nehmen. Nur wenige von denen, die damals lebten, können sich von einer individuellen Schuld ausnehmen, und sei es nur, daß man mit eigenen Problemen zu sehr beschäftigt war oder zu gleichgültig, sich um die Verfolgten zu kümmern. Das Gewissen zu sensibilisieren und möglichem abstumpfen vorzubeugen, ist das, was wir heute tun können, damit nie mehr ein Unrechtsregime an die Macht kommt.
Bei Lesungen in Schulen habe ich beobachtet, daß gerade die individuelle Schuld einen Zugang zur heutigen Jugend herstellt. Über das Verschulden Einzelner ist die kollektive Schuld der Deutschen erst zu begreifen, und jeder kann für sich selbst prüfen, wie er sich unter ähnlichen Umständen wohl verhalten würde. Demagogen, die Jugendliche zu beeinflussen versuchen, gibt es auch heute.

Rosemarie Bronikowski

Geb. in Sande/Hamburg 1922.
Gest. in Ebringen/Breisgau 2016.

1940 – 1942 erste Ehe mit einem Offizier der Luftwaffe.
1943-45 Publizistikstudium an der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin (heute Humboldt-Universität).
1946 zweite Ehe in Süddeutschland. 7 Kinder.

Literarische Veröffentlichungen seit 1968. Eines ihrer Themen ist aufgrund ihrer langjährigen ehrenamtlichen Betreuertätigkeit die Erfahrung mit Strafgefangenen. Ein anderes Thema die Aufarbeitung ihrer Jugend im NS-Staat. Die poetisch-satirische Stilrichtung ihrer Lyrik und lyrischen Prosatexte kommt in ihrem gesamten Werk zum Ausdruck.

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