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Rosemarie Bronikowski

Irgendwann wird man mich zu Ende denken

Begegnung mit Strafgefangenen

Paperback
166 Seiten
ISBN 3-928409-02-6
1.Aufl.

12,00  inkl. MwSt.

Der Buchversand innerhalb Deutschlands ist kostenfrei.

Die seit fast dreißig Jahren in der Gefangenenarbeit tätige Autorin schildert in dem vorliegenden Band ihre Erfahrungen bei der Betreuung von Strafgefangenen. Ein Buch, das Mut machen soll, sich ehrenamtlich zu betätigen. Anhand von Gedächtnisprotokollen zeigt es aber auch die Schwierigkeiten und Probleme auf, die zwischen Gefangenenen und Externen auftreten können.

Die Autorin würde sich wünschen, wenn sich nach der Lektüre des Buches mehr Menschen mit dem Strafvollzug in Deutschland beschäftigen und sich für die ehrenamtliche Tätigkeit im Strafvollzug interessieren.

Rosemarie Bronikowski wurde für ihre Arbeit im Februar 2003 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Zum Buch

Das Buch bezieht seine Spannung aus dem Zusammenstoß der Welt eines Strafgefangenen mit der bildungsbürgerlichen Welt der Autorin, Frau eines Lehrers, Mutter von sieben Kindern. Der Strafgefangene war der gerade aus der Haft entlassene Ernst S. Steffen, ein erbitterter Ankläger des Strafvollzugs.

Zwei Bücher von ihm wurden bei Luchterhand verlegt. Trotz der Anerkennung, die er als Schriftsteller erhielt, holten ihn die Folgen seiner langjährigen Freiheitsstrafen ein. In verzweifelter Verfassung kam er 1970 durch einen Autounfall ums Leben.

Rosemarie Bronikowski hat die Begegnung mit ihm schon einmal literarisch verarbeitet. Jetzt will sie mit der gekürzten Neuauflage ihres 1974 erschienenen Buches „Auseinandersetzung mit Ernst S. Steffen“ die uneingelösten Forderungen des rebellischen Dichters noch einmal zu bedenken geben. Damals zog sie die Konsequenz, sich persönlich ein Bild von den Menschen hinter Gittern zu machen. In fast dreißigjähriger ehrenamtlicher Betreuung besuchte sie Strafgefangene in der Vollzugsanstalt und begleitete sie auch auf dem Rückweg in die freie Gesellschaft. Die dabei auftretenden Probleme beschreibt sie in der Geschichte ihrer Betreuung eines Entlassenen, dessen dumpfe Aggressivität sie manchmal an die Grenzen ihrer Hilfsbereitschaft führte. Zu ihrer eigenen Orientierung hatte sie sein Verhalten und ihre Reaktionen darauf dokumentiert und konnte für das Buch darauf zurückgreifen.

Bis heute leitet die Autorin eine Gesprächsgruppe in der Vollzugsanstalt Freiburg. In kurzen Porträts von Teilnehmern vermittelt sie einen Eindruck der Vielfalt der Charaktere, die das Vorurteil vom Verbrecher nicht vermuten läßt. Damit wendet sie sich an Leser, die sich mit dem vielfach zu hörenden „Einfach Wegsperren“ von Straftätern nicht zufrieden geben.

Die Autorin hat Gedichtbände und Erzählungen veröffentlicht, sie ist keine Sachbuchautorin. Wer in ihrem Buch detaillierte Kritik am Knast erwartet, muß sie den Menschenbildern entnehmen, die sie aufgezeichnet hat. Diese sprechen für sich.

Vorwort

Der erste Teil des Buches unter dem Titel „Zu Ende denken“ ist eine Neuauflage meiner 1974 bei fox produktionen, Rastatt, erschienenen „Auseinandersetzung mit Ernst S. Steffen“. Ich habe sie stark gekürzt und auf das Wesentliche konzentriert: die Begegnung meiner Familie mit dem gerade aus der Haft entlassenen Dichter. Eine Familie, die keinerlei Erfahrungen mit dem Strafvollzug und seinen Folgen hatte. Wir glaubten über die beeindruckenden Gedichte, die Ernst Steffen schrieb, ließe sich von selbst eine Brücke zu der uns fremden Welt herstellen, aus der er kam. Daß dies nicht so war, welche Probleme auftauchten, und welche Einsichten in die Praxis des Vollzugs uns seine Texte vermittelten, ist der Inhalt auch der neuen Auflage.

Neben Zitaten aus Schriften und Büchern von Ernst Steffen habe ich Passagen aus meinem Briefwechsel mit dem Strafgefangenen Bertram T. aufgenommen. Er war nicht, wie Steffen, in der besonderen Position eines Dichters. Das gab mir beim Schreiben die Möglichkeit, beider Aussagen zum Strafvollzug miteinander zu vergleichen.

Der Zeitgeist seiner Entstehung ist im Buch unverkennbar. Die Anstalten, in denen Steffen seine Erfahrungen machte, hießen noch Fürsorgeheim und Zuchthaus. Und wir entsprachen als Lehrerfamilie noch dem traditionsbewußten Familienbild der Adenauerzeit, bis wir in die Zerreißprobe der sogenannten 68er. gerieten. Dennoch hat das Buch an Aktualität nichts verloren. Gibt es im Strafvollzug auch nicht mehr die typischen Zuchthäusler im gestreiften Anzug, die beim Hofgang im Kreis marschieren, der von Steffen beklagte Identitätsverlust ist der gleiche geblieben. Immer noch gehen in der Massenunterkunft einer Vollzugsanstalt Selbstachtung und menschliche Würde verloren, mit der Folge der Abstumpfung und Verrohung ihrer Insassen. Die hohe Rückfallquote der aus der Strafhaft Entlassenen spricht für sich.

Im zweiten Teil „Knast und – was dann“ erzähle ich die Geschichte meiner ersten Betreuung. Der aus der Sicherheitsverwahrung entlassene Analphabet Karl Schirmer (Name geändert) verfügte nicht über die sprachlichen Ausdrucksmittel eines Ernst Steffen oder Bertram T. Mich auf ihn einzustellen war eine Belastungsprobe, die mich anfangs stark verunsicherte. Mit flüchtig festgehaltenen Gedächtnisprotokollen versuchte ich bestimmte Vorkommnisse in Erinnerung zu behalten. Für die Veröffentlichung habe ich sie der Lesbarkeit wegen bearbeitet, ohne sie inhaltlich zu verändern. Ich gehe davon aus, daß die geschilderten Schwierigkeiten für jeden, der mit Strafgefangenen zu tun hat, von Interesse sind und Fehler vermeiden helfen.

Im dritten Teil habe ich unter dem Titel „Streiflichter“ Momentaufnahmen aus einer Gesprächsgruppe zusammengestellt. Die Teilnehmer sind Strafgefangene und Menschen von außerhalb, die sich einmal wöchentlich in der Vollzugsanstalt treffen. Die Texte sind kurze Porträts von Gefangenen, die mir in ihrer Originalität, aber auch in ihrer Problematik besonders auffielen. Ihre Namen sind geändert und ihre Biographien sind in so weit verfremdet, daß Rückschlüsse auf bestimmte Personen nicht zu ziehen sind.

Rosemarie Bronikowski

Geb. in Sande/Hamburg 1922.
Gest. in Ebringen/Breisgau 2016.

1940 – 1942 erste Ehe mit einem Offizier der Luftwaffe.
1943-45 Publizistikstudium an der Friedrich-Wilhelm-Universität Berlin (heute Humboldt-Universität).
1946 zweite Ehe in Süddeutschland. 7 Kinder.

Literarische Veröffentlichungen seit 1968. Eines ihrer Themen ist aufgrund ihrer langjährigen ehrenamtlichen Betreuertätigkeit die Erfahrung mit Strafgefangenen. Ein anderes Thema die Aufarbeitung ihrer Jugend im NS-Staat. Die poetisch-satirische Stilrichtung ihrer Lyrik und lyrischen Prosatexte kommt in ihrem gesamten Werk zum Ausdruck.

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